„Wieder einmal über etwas gestolpert“

KTG-Schüler*innen gestalteten eine neue Stolpersteinverlegung

Am 02.06.2022 nahmen acht Schülerinnen und Schüler aus der EF bzw. Q1 (Amgad El Majanini, Ismail Oruc aus der EF; Edona Nimanay, Elanur Yilmaz, Samir Sher, Arnas Smuilys, Abdurrahman Aslan und Dominik Wüsten aus der Q1) gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin Frau Loos trotz großen Klausur- und Leistungsstresses am Ende des Schuljahres an der Verlegung eines Stolpersteines für Gertrude Bell auf der Dreikönigenstraße 44 teil.

Da sich nun vermutlich einige fragen werden, was denn ein Stolperstein ist und warum sich die Schülerinnen und Schüler dem Stress gern aussetzten, hier ein kurzer Rückblick:

Das Stolpersteinprojekt

Der Kölner Künstler Gunter Demnig erinnert seit 1996 an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in Form eines Pflastersteins in den Boden verlegt. Die Menschen sollen über diese „goldenen Pflastersteine“ stolpern und sich fragen, was das ist.  Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas. Immer stehen darauf die Worte „Hier wohnte“. Denn dort, wo die Erinnerung aufrechterhalten wird, wird ein Mensch nicht vergessen.

Seit 1996 sind inzwischen mehr als 70.000 Stolpersteine verlegt worden, seit 2006 mehr als 150 in Krefeld. Der Weg dahin war nicht leicht, denn vor allem in den ersten Jahren hatte das Projekt mit großem Widerstand zu kämpfen. Den ersten Stolperstein initiierte 2003 die Rheinische Schule für Körperbehinderte Krefeld (Gerd-Jansen-Schule) und wenig später ergriff auch die Kurt-Tucholsky-Gesamtschule die Initiative und setzte einen Stein. Im Jahr 2005 beantragte man   beim Rat der Stadt offiziell die Verlegung von Stolpersteinen auch in Krefeld. Der Stadtrat lehnte überraschend das Projekt ab. Auf Initiative der Überlebenden Dr. Ruth Frank und Ilse Kassel sowie von SchülerInnen und ihren Lehrkräften der Kurt-Tucholsky-Schule konnten 14.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen den Ratsbeschluss gesammelt werden. Das Bürgerbegehren war erfolgreich und die NS-Dokumentationsstelle „Villa Merländer“ betreut nun seit vielen Jahren das Stolpersteinprojekt in Krefeld. Die Kurt Tucholsky Gesamtschule hat seit dem 11.09.2019 einen Kooperationsvertrag mit der Villa Merländer und die Stolpersteinverlegung am 02.06.2022 war, bedingt durch die „Coronazwangspause“, das erste gemeinsame Kooperationsprojekt.

Der Stolperstein für Gertrude Bell

Die Vorbereitungen für die Gestaltung der Stolpersteinverlegung für Gertrude Bell hat die acht Schülerinnen und Schüler empört, mitgenommen, sie aber auch viel Neues gelehrt:

Bisher dachten sie, Stolpersteine werden nur für jüdische NS-Opfer verlegt, doch Gertrude Bell (*27.08.1903) war eine „reinrassische“ Deutsche, die am 02.02.1943 in Auschwitz zu Tode kam, da sie eine verbotene Beziehung zu einem polnischen „Fremdarbeiter“ führte. Als Gründe für ihre Verhaftung wurde u. a. genannt, sie sei eine „Herumtreiberin“ und würde das gesunde Volksempfinden „gröblichst verletzen“. Sie war nämlich mit dem polnischen Wohnungsnachbarn tanzen und in Kneipen gegangen. Was die Schülerinnen und Schüler vorher auch nicht wussten, dass die polnischen Zwangsarbeiter ein großes P auf all ihren Kleidungsstücken hätten tragen müssen und nur in Gaststätten für Fremdvölkische hätten gehen dürfen…

Bei der Verlegung gab jede Schülerin/jeder Schüler ein kurzes Statement ab, beginnend mit den Worten „Ich stehe heute hier, weil…“  Als Motive nannten sie z.B. das nötige Erinnern an die Opfer, vor allem, da die Zeitzeugen aussterben, genannt wurde aber auch Entsetzen darüber, dass Liebe und Lebensfreude zu Gründen für Verhaftung, Folter und Tod werden konnten. Anschließend legten sie weiße Rosen an der Verlegestelle nieder, an die sie Karten mit dem Hauptmotiv geknüpft hatten. Abschließend spielten sie das Lied „Stolpersteine“ des Rappers Trettmann ab, dessen Text ein ähnliches Schicksal thematisiert wie das der Gertrude Bell.

Wer mag, möge bei seinem nächsten Gang durch die Innenstadt einmal einen Blick auf den Stolperstein der Gertrude Bell werfen und sich so an ihr trauriges Schicksal erinnern, damit sie nicht vergessen wird und damit die ihr widerfahrene Menschenverachtung nicht wieder „in Mode“ kommt!

(c) Kurt-Tucholsky-Gesamtschule

Kurt-Tucholsky-Gesamtschule