Kurt Tucholsky - Der Namensgeber unserer Schule

Wer war Kurt Tucholsky?


… alias Kaspar Hauser, alias Ignaz Wrobel, alias Peter Panter.

 

Nun, er war…

… der Namensgeber unserer Schule (eher unfreiwillig…),

… einer der meistgelesenen Schriftsteller der Weimarer Republik,

… Querdenker (aus Prinzip),

… Menschenfreund (unter Schmerzen),

… Pazifist (leidenschaftlich),

… Europäer (lange vor der Gründung der EU),

… Anti-Faschist (kämpferisch, zuletzt verzweifelt),

… Songschreiber (komisch, manchmal zynisch),

… Lyriker (oft zärtlich),

… Satiriker (scharfzüngig),

… Autor vieler gelungener Sprüche (z.B.: „Deutsche, kauft deutsche     Zitronen!“; einige mehr finden sich auf diesen Seiten),

… kurz: Mensch,

… der häufig unter vier verschiedenen Pseudonymen (Theobald Tiger, Kaspar Hauser etc.) schrieb und veröffentlichte.

 

WDR Zeitzeichen vom 9. Januar 2010 über Kurt Tucholsky

 

Kurt Tucholsky über seine eigene Schulzeit:

Ich denke nicht mit Haß an meine Schulzeit zurück – sie ist mir völlig gleichgültig geworden. Schultragödien haben wir nie gehabt, furchtbare Mißstände auch nicht. Aber schlechten Unterricht.

Es war ja nachher auf der Universität ähnlich – nur stand da der Unfähigkeit der Professoren, zu lehren, wenigstens oft ihr wissenschaftlicher Wert gegenüber. Aber ich denke ein bißchen traurig an die Schule zurück, heute, da ich den Wert der Zeit schätzen gelernt habe. Sie haben uns um die Zeit betrogen, um unsre Zeit und um unsre Jugend. Wir hatten keine Lehrer, wir hatten keine Führer, wir hatten Lehrbeamte, und nicht einmal gute. Ich besinne mich, nach dem Abiturium eines Freundes gefragt zu haben: »Na, und die Pauker?« – »Dumm, wie immer!« sagte er – es war so viel selbstverständliche Verachtung in seiner Stimme. Nicht einmal Haß.

Ich weiß lange nicht so viel, wie ich wissen müßte – vieles fehlt mir; für kaum ein Gebiet, das ein bißchen abseits liegt, bringe ich auch nur das scholastisch geschulte Denken mit, und das wäre ja eine Menge. Nichts habe ich mitgebracht. Was wir wissen und können, das haben wir uns mit unsäglicher Mühe nachher allein beibringen müssen, nachher, als es zu spät war, wo das Gehirn nicht mehr so aufnahmefähig war wie damals. Vielleicht wäre doch manches besser gegangen mit einem guten Unterricht!

Und sie sind so stolz auf ihre Schule! Wie sie blöken, wenn sie ihre Philologenkongresse abhalten, welche großen Worte, welche Töne! Hat sich etwas geändert? Ich weiß nicht, was Entschiedene Schulreform ist – aber ich weiß, dass es entschieden keine Schulreform ist, was man heute treibt. Vielleicht werden es ganz gute Unteroffiziere werden oder Verzweifelte, die da herauskommen – gebildete Menschen, belehrte Menschen instruierte Menschen sind es sicherlich nicht.

Peter Panter, Die Weltbühne, 1925

(Foto ca. 1894)

 

Hat sich seit 1925 etwas geändert? Na hoffentlich!


Kurt Tucholsky über sich selbst (1934):

Eigenhändige Vita Kurt Tucholskys für den Einbürgerungsantrag zur Erlangung der schwedischen Staatsbürgerschaft:

Dr. iur. Kurt Tucholsky (Hindås, 22.1.34)

Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 als Sohn des Kaufmanns Alex Tucholsky und seiner Ehefrau, Doris, geborene Tucholski, in Berlin geboren. Er besuchte Gymnasien in Stettin und in Berlin und bestand im Jahre 1909 die Reifeprüfung. Er studierte in Berlin und in Genf Jura und promovierte im Jahre 1914 in Jena cum laude mit einer Arbeit über Hypothekenrecht.

Im April 1915 wurde Tucholsky zum Heeresdienst eingezogen; er war dreieinhalb Jahre Soldat (die Papiere über seine Militärzeit liegen bei). Zuletzt ist T. Feldpolizeikommissar bei der Politischen Polizei in Rumänien gewesen.

Nach dem Kriege war Tucholsky unter Theodor Wolff, dem Chefredakteur des Berliner Tageblatt, Leiter der humoristischen Beilage dieses Blattes, des Ulk, vom Dezember 1918 bis zum April 1920.

Während der Inflation, als ein schriftstellerischer Verdienst in Deutschland nicht möglich gewesen ist, nahm Tucholsky eine Anstellung als Privatsekretär des früheren Finanzministers Hugo Simon an (in der Bank Bett, Simon & Co. in Berlin).

Im Jahre 1924 ging Tucholsky als fester Mitarbeiter der berliner Wochenschrift Die Weltbühne und der Vossischen Zeitung nach Paris, wo er sich bis zum Jahre 1929 aufhielt. Er ist dort Mitglied der »Association Syndicale de la Presse étrangère« gewesen. Seine Carte d’identité liegt bei.

Nachdem Tucholsky bereits als Tourist längere Sommeraufenthalte in Schweden genommen hatte (1928 in Kivik, Skåne, und fünf Monate im Jahre 1929 bei Mariefred), mietete er im Sommer 1929 eine Villa in Hindås, um sich ständig in Schweden niederzulassen. (Der Mietvertrag liegt bei.) Er bezog das Haus, das er ab 1. Oktober 1929 gemietet hat, im Januar 1930 und wohnt dort ununterbrochen bis heute. Er hat sich in Schweden schriftstellerisch oder politisch niemals betätigt. Zahlreiche Reisen, die zu seiner Information und zur Behebung eines hartnäckigen Halsleidens dienten, führten ihn nach Frankreich, nach England (Papier anliegend), nach Osterreich und nach der Schweiz. Sein fester Wohnsitz ist seit Januar 1930 Hindås gewesen, wo er seinen gesamten Hausstand und seine Bibliothek hat.

Tucholsky hat im Jahre 1920 in Berlin Fräulein Dr. med. Else Weil geheiratet; die Ehe ist am 14. Februar 1924 rechtskräftig geschieden. Am 30. August 1924 hat Tucholsky Fräulein Mary Gerold geheiratet; die Ehe ist am 21. August 1933 rechtskräftig geschieden. Tucholsky hat keine Kinder sowie keine unterstützungsberechtigten Verwandten, die seinen Aufenthalt in Schweden gesetzlich teilen könnten.

Tucholsky hat zu den bestbezahlten deutschen Journalisten gehört. Seit dem Jahre 1931 hat er so gut wie nichts publiziert. Seine in Deutschland befindlichen Vermögenswerte sind laut Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger vom 25. August 1933 beschlagnahmt worden (Verlagsrechte, Honorare pp.). Tucholsky hat ein Konto bei der Skandinaviska Kredit A. B. in Göteborg, seit er in Schweden ist, und ein Konto bei der Schweizerischen Kredit-Anstalt in Zürich, um über Geld auf Reisen verfügen zu können. Er hat keinerlei Schuldverpflichtungen, wie auch die Göteborger Firmen bezeugen können, bei denen er die Einrichtung seiner Wohnung vorgenommen hat und bei denen er seinen Hausbedarf deckt.

Daß Tucholsky Angebote von Verlagen und Zeitschriften zur Zeit abgewiesen hat, hängt mit seiner literarischen Entwicklung zusammen. Tucholsky hat seine literarische Tätigkeit mit einer kleinen Geschichte »Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte« begonnen, das im Jahre 1912 in Berlin erschienen ist und heute im 120. Tausend vorliegt. An Büchern hat er bis heute ferner erscheinen lassen:

»Der Zeitsparer«. 1913. Vergriffen

»Fromme Gesänge«. 1920. Vergriffen

»Träumereien an preußischen Kaminen«. 1920. Vergriffen

»Ein Pyrenäenbuch«. 1927. 11. Auflage

»Mit 5 PS«. 1925. 26. Auflage

»Das Lächeln der Mona Lisa«. 1928. 26. Auflage

»Deutschland, Deutschland über alles«. 1929. 50. Auflage

»Schloß Gripsholm. Eine Sommergeschichte«. 1931. 50. Auflage

»Lerne lachen ohne zu weinen«. 1931. 20. Auflage.

Das »Deutschland«-Buch ist im Neuen Deutschen Verlag in Berlin erschienen; »Rheinsberg« bei der Singer A. G. in Berlin – alle anderen Werke bei Ernst Rowohlt in Berlin.

Im Jahre 1913 hat Tucholsky seine feste Mitarbeit an der berliner Wochenschrift Die Weltbühne begonnen, die damals noch Die Schaubühne hieß; diese Mitarbeit erstreckte sich bis zum Jahre 1931. Dem im Jahre 1926 verstorbenen Herausgeber des Blattes, Siegfried Jacobsohn, verdankt Tucholsky alles, was er geworden ist. Nach dem Tode Jacobsohns hat er das Blatt kurze Zeit selber herausgegeben, um es dann seinem Gesinnungsfreunde Carl von Ossietzky abzutreten.

Tucholsky hat sich ferner als freier Mitarbeiter für den sozialdemokratischen Vorwärts in Berlin, für die sozialdemokratische Freiheit, den Simplicissimus und die Arbeiter-Illustrierte Zeitung betätigt; er hat gelegentlich im Verlage Ullstein am Uhu, an der Berliner Illustrirten Zeitung und an der Dame mitgearbeitet.

Neben der literarischen Arbeit hat sich Tucholsky vom Jahre 1913 bis zum Jahre 1930 Pazifist schärfster Richtung in Deutschland betätigt. Seine Betätigung in dieser Richtung bewegte sich im Rahmen der Gesetze – er ist nicht bestraft. Tucholsky hat in Deutschland und in Frankreich durch zahlreiche Vorträge für die deutschfranzösische Verständigung zu wirken versucht; er hat gegen die Kriegshetzerei gearbeitet, wo er nur konnte: mit feinen und leisen Mitteln in der Kunst und mit den gröbsten für die Massen. In diesem Kampfe ist es ihm um die Wirkung zu tun gewesen, und diese Wirkung ist bei Freund und Feind gleich stark gewesen. Da die öffentliche Meinung, wenn die Geschäfte nicht gut gehn, gern alles, was ihr nicht paßt, als »bolschewistisch« ansieht, so wurde Tucholsky mitunter als Kommunist bezeichnet. Das ist unrichtig: er war nach dem Kriege Mitglied der unabhängigen sozialdemokratischen Partei, und nach deren Verschmelzung mit der sozialdemokratischen Partei Mitglied der SPD. Andern Partein hat er nicht angehört.

Solange sich Tucholsky an Deutschland gebunden fühlte, hat er als Deutscher und in Deutschland das, was er dort für nicht gut hielt, kritisiert. Seine publizistische Tätigkeit hat im Jahre 1931, also lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ihr vorläufiges Ende gefunden. Trotzdem wurde ihm zwei Jahre später die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Die Aberkennung erfolgte wegen der pazifistischen Tätigkeit Tucholskys; sie hat ihren Grund ferner in einem Angriff, den Tucholsky im Jahre 1931 in Versen gegen einen der Führer der Nationalsozialisten gerichtet hat. Die Aberkennung geschah unter Angriffen des deutschen Propagandaministeriums auf Tucholsky, die jedes Maß, das unter zivilisierten Menschen üblich ist, überschritten haben. Eine Antwort auf diese Angriffe ist von selten Tucholskys nicht erfolgt.

Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit beruft sich auf ein Reichsgesetz vom 14. Juli 1933. Tucholsky hat sich weder seit diesem Tage noch überhaupt zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten öffentlich geäußert. Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit, die als Strafe gedacht ist, stellt also einen Rechtsbruch dar, einen Bruch des obersten Grundsatzes aller Strafjustiz: nulla poena sine lege.

Dr. Tucholsky ist im Begriff, seine schwedischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Er hat den Wunsch, die schwedische Staatsangehörigkeit zu erwerben, falls dies zulässig ist.

Kurt Tucholsky


Wer es genauer wissen möchte, nutze bitte die folgenden Links:

Kurt Tucholskys Leben in Bildern

Nahezu alle Tucholsky-Texte (nach Genres geordnet)

Der „Sudelblog“, ein Weblog mit Vermischtem zum Werk unseres Namensgebers (Prädikat: sehr interessant!)

Die Mindener Tucholsky-Gesamtschule

Kurt-Tucholsky-Gesellschaft

Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum, Schloss Rheinsberg

Kurt-Tucholsky-Gesamtschule